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Das Quaternion zur Darstellung von Rotationen

Quaternionen verallgemeinern das Konzept der komplexen Zahlen [18]. Sir William Rowan Hamilton hat 1833 als erster gezeigt, dass die komplexen Zahlen eine Algebra formen, d.h. es lassen sich auf der Basis von Zahlenpaaren konsistente Rechenregeln definieren. Dabei wird eine komplexe Zahl $ z \in \mathbbm{C}$ mittels $ \mathfrak{i}$, der Wurzel aus $ -1$ dargestellt. Obwohl $ \mathfrak{i}$ keine reelle Zahl ist, kann eine komplexe Zahl durch reelle Zahlen angeben werden, indem ein Real- und Imaginärteil benutzt wird:

$\displaystyle z = a + b \mathfrak{i}$   mit$\displaystyle \ a,b \in \mathbbm{R}.$      

Die konjugiert komplexe Zahl und der absolute Betrag der Zahl $ z$ können ebenfalls definiert werden:
$\displaystyle z^*$ $\displaystyle =$ $\displaystyle a - b \mathfrak{i}$  
$\displaystyle \Vert z \Vert$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \sqrt{zz^*} = \sqrt{a^2+b^2}.$  

Unter Benutzung dieser Eigenschaften kann man die Multiplikation von $ z_1 = a_1 + b_1 \mathfrak{i}$ mit $ z_2 = a_2 + b_2 \mathfrak{i}$ wie folgt beschreiben:
$\displaystyle z_1z_2 = (a_1a_2 - b_1b_2) + (a_1b_2+b_1a_2) \mathfrak{i}.$      

Nach der Entwicklung der komplexen Zahlen hat Hamilton 10 Jahre lang vergeblich versucht, dieses Konzept auf Zahlentripel, also komplexe Zahlen mit zwei imaginären Anteilen, zu erweitern [1,34]. Es wird erzählt, dass ihm die Lösung, vier Zahlen zu verwenden, schließlich unvermutet während eines Spaziergangs mit seiner Frau einfiel und er so begeistert war, dass er sie (A.1) spontan in den Brückenpfeiler der Broom Bridge (heute Hamilton Bridge) in Dublin gravierte [1].

Das Quaternion erweitert das Konzept der komplexen Zahlen und ist als 4-Tupel definiert [34,35].

$\displaystyle \dot q = q_0 + \mathfrak{i}q_x + \mathfrak{j}q_y + \mathfrak{k}q_z$   mit$\displaystyle \ q_0, q_x, q_y, q_z \in \mathbbm{R}.$      

Dabei gelten die folgenden Gleichungen:
$\displaystyle \mathfrak{i}^2 = \mathfrak{j}^2 = \mathfrak{k}^2 = -1 , \qquad \mathfrak{i}\mathfrak{j}= \mathfrak{k},\ \mathfrak{j}\mathfrak{i}= - \mathfrak{k}.$     (7.1)

Die Multiplikation ist ähnlich wie jene der komplexen Zahlen definiert. Sei
$ \boldsymbol{\mathfrak{i}}= (\mathfrak{i},\mathfrak{j},\mathfrak{k})^T$ der Spaltenvektor mit den imaginären Anteilen und $ \mathbf{q}= (q_x,q_y,qz)^T$. Dann ist
$\displaystyle \dot q = q_0 + \mathbf{q}\cdot \boldsymbol{\mathfrak{i}}.$      

Nimmt man weiterhin an, dass $ \dot q_1$ und $ \dot q_2$ zwei Quaternionen sind, so ergibt sich für die Multiplikation
$\displaystyle \dot q_1 \dot q_2$ $\displaystyle =$ $\displaystyle (q_{10} + \mathbf{q}_1 \cdot \boldsymbol{\mathfrak{i}})(q_{20} + \mathbf{q}_2 \cdot \boldsymbol{\mathfrak{i}})
\nonumber$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle q_{10}q_{20} - q_{1x}q_{2x} - q_{1y}q_{2y} - q_{1z}q_{2z}$  
    $\displaystyle + (q_{10}q_{2x} + q_{1x}q_{20} + q_{1y}q_{2z} - q_{1z}q_{2y})\mathfrak{i}$  
    $\displaystyle + (q_{10}q_{2y} - q_{1x}q_{2z} + q_{1y}q_{20} + q_{1z}q_{2x})\mathfrak{j}$  
    $\displaystyle + (q_{10}q_{2z} + q_{1x}q_{2y} - q_{1y}q_{2x} + q_{1z}q_{20})\mathfrak{k}$ (7.2)
  $\displaystyle =$ $\displaystyle q_{10}q_{20} + ( q_{10}\mathbf{q}_2 + q_{20}\mathbf{q}_1 ) \cdot ...
...\cdot \boldsymbol{\mathfrak{i}})(\mathbf{q}_2 \cdot \boldsymbol{\mathfrak{i}}).$ (7.3)

Mit (A.1) folgt für den letzten Term
$\displaystyle (\mathbf{q}_1 \cdot \boldsymbol{\mathfrak{i}})(\mathbf{q}_2 \cdot \boldsymbol{\mathfrak{i}})$ $\displaystyle =$ $\displaystyle (q_{1x}\mathfrak{i}+ q_{1y}\mathfrak{j}+ q_{1z}\mathfrak{k})(q_{2x}\mathfrak{i}+ q_{2y}\mathfrak{j}+ q_{2z}\mathfrak{k})$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle - (q_{1x}q_{2x} + q_{1y}q_{2y} + q_{1z}q_{2z}
+ (q_{1y}q_{2z} - q_{1z}q_{2y})\mathfrak{i}$  
    $\displaystyle + (q_{1z}q_{2x} - q_{1x}q_{2z})\mathfrak{j}+ (q_{1x}q_{2y} - q_{1y}q_{2x})\mathfrak{k}$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle - \mathbf{q}_1 \cdot \mathbf{q}_2 + (\mathbf{q}_1 \times \mathbf{q}_2) \cdot \boldsymbol{\mathfrak{i}}$  

und für (A.3) ergibt sich somit
$\displaystyle \dot q_1 \dot q_2$ $\displaystyle =$ $\displaystyle (q_{10}q_{20} - \mathbf{q}_1 \cdot \mathbf{q}_2) +
(q_{10}\mathbf...
...athbf{q}_1 + \mathbf{q}_1 \times \mathbf{q}_2) \cdot \boldsymbol{\mathfrak{i}}.$ (7.4)

Analog zu den komplexen Zahlen wird das konjugierte Quaternion definiert. Sei $ \dot q = q_0 + \mathbf{q}\cdot \boldsymbol{\mathfrak{i}}$, dann ist $ \dot q^* =
q_0 - \mathbf{q}\cdot \boldsymbol{\mathfrak{i}}$ das konjugierte Quaternion. Aus (A.4) folgt
$\displaystyle \dot q \dot q^* = q_0^2 + \left\lvert\left\lvert \mathbf{q} \right\rvert\right\rvert ^2.$      

Dies entspricht genau der 2-Norm des Vektors $ (q_0,q_x,q_y,q_z)^T$. $ \sqrt{\dot q \dot q^*}$ wird Betrag des Quaternions genannt und mit $ \left\lvert\left\lvert \dot q \right\rvert\right\rvert $ bezeichnet. Ein Quaternion mit Betrag 1 ist ein so genanntes Einheitsquaternion. Wie man leicht sieht, existiert zu jedem von Null verschiedenen Quaternion $ \dot q $ ein Quaternion $ \dot
q^{-1}$, so dass $ \dot q \dot q^{-1} = 1$. Dabei bezeichnet $ \dot
q^{-1}$ das inverse Quaternion zu $ \dot q $.

Die Menge aller von Null verschiedenen Quaternionen mit der oben definierten Multiplikation formen eine nicht kommutative Gruppe. Es kann gezeigt werden, dass die Multiplikation zweier Einheitsquaternionen zu einem Einheitsquaternion führt. Somit formen die Einheitsquaternionen eine Untergruppe, was für die Darstellung einer Rotation notwendig ist. Für ein Einheitsquaternion gilt weiterhin die folgende Beziehung $ \dot q^{-1} = q^*$.

Das Skalarprodukt zweier Quaternionen $ \dot q_1$ und $ \dot q_2$ ist die Summe aus den Produkten der Komponenten

$\displaystyle \dot q_1 \cdot \dot q_2
= q_{10}q_{20} + q_{1x}q_{2x} + q_{1y}q_{2y} + q_{1z}q_{2z}.$     (7.5)

Somit gilt folgende Beziehung immer:
$\displaystyle \dot q \cdot \dot q = (q_0^2 + q_1^2 + q_2^2 + q_3^2) = \dot q \dot q^*.$      

Seien $ \dot p, \dot q, \dot r$ Quaternionen. Folgende Gleichungen lassen sich mit den Definitionen (A.5) und (A.2) leicht verifizieren. Sie spielen in Kapitel A.2.2 eine wichtige Rolle:
$\displaystyle \left( \dot p \dot q \right ) \cdot \dot r
= \dot p \cdot \left( \dot q \dot r \right)
= \dot p \cdot \left( \dot r \dot q^* \right).$     (7.6)



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Andreas Nüchter
2002-07-10